
Neue Adipositas-Leitlinie 2024: DiGAs im Fokus
Nach vier Jahren Aktualisierungsarbeit wurde sie im Oktober 2024 veröffentlicht: die neue S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas. In den zehn Jahren seit dem Erscheinen ihrer Vorgängerin hat sich auf dem Gebiet einiges getan. Entsprechend haben sich auch die Leitlinienempfehlungen verändert. E-Health, Ernährungstherapien, neue Medikamente, Diagnostik: Wir bringen Sie auf den aktuellen Stand.
Aber nicht alles hat sich geändert. Die multimodale Basistherapie, bestehend aus Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und Verhaltensmodifikationen, bildet weiterhin die Grundlage jedes therapeutischen Ansatzes.
Das Wichtigste in Kürze
- Die aktualisierte S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas von 2024 integriert umfassend digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) und stellt diese als zentrale Komponenten einer multimodalen Basistherapie dar.
- Erweiterungen der Leitlinie umfassen neue Kapitel zur gewichtsbezogenen Stigmatisierung und Adipositas-Diagnostik sowie aktualisierte Empfehlungen zur Ernährungstherapie und Pharmakotherapie, die personalisierte Behandlungsansätze ermöglichen.
- Neu aufgenommen als “Kann”-Empfehlung wurden die neuen GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid und Semaglutid für den Einsatz zur Gewichtsreduktion ab einem BMI von 27 kg/m2.
Die wichtigsten Neuerungen
Medizinischer Fortschritt und wachsende Wichtigkeit des Themas Adipositas spiegeln sich im Umfang der aktualisierten Leitlinie: Inklusive Literaturverzeichnis bringt sie es auf 249 Seiten – mehr als das Doppelte der abgelaufenen Version. Das Autorenteam der Leitlinie hat neue Kapitel zur gewichtsbezogenen Stigmatisierung sowie zur Diagnostik der Adipositas hinzugefügt. Im Kapitel zur Therapie von Übergewicht und Adipositas wurden die Empfehlungen zur Ernährungstherapie und zur Pharmakotherapie überarbeitet und erweitert sowie ein neues Unterkapitel zum Thema E-Health ergänzt.
Neue und breiter aufgefächerte Möglichkeiten bedeuten auch eine besser personalisierbare Therapie: Das Ziel der Gewichtsabnahme rückt näher, wenn Vorlieben und Lebensgewohnheiten der Behandelten berücksichtigt werden.
Neue Empfehlungen für die Adipositas-Diagnostik
Neben Körpergewicht und BMI sollte im Verlauf der Therapie mindestens monatlich die relative Gewichtsänderung bestimmt werden. Bei Verdacht auf Verlust von Muskelmasse sollte auch die Körperzusammensetzung gemessen werden. Essmuster, Essverhalten, Ernährungswissen und bisherige Behandlungsversuche sollten ebenso erfragt werden wie Lebensqualität und psychische Belastungen der Betroffenen. „Kann“-Empfehlungen gibt die Leitlinie für die Messung von Taillen- und Hüftumfang und körperlicher Fitness.
Hinsichtlich der notwendigen Labordiagnostik sollten TSH- und Kortisol-Werte gemessen werden, zur Einschätzung gesundheitlicher Risiken weiterhin Cholesterinwerte, Nüchternglukose, Triglyzeride, Harnsäure, Kreatinin/eGFR und Albuminurie. Ebenso sollte ein Screening auf Vorliegen einer nichtalkoholischen Fettleber erfolgen.
Aktualisierte Empfehlungen zur Ernährungstherapie der Adipositas
Die Leitlinie betont, dass Gewichtsreduktion mit verschiedenen Kostformen gut realisierbar ist – die Makronährstoffzusammensetzung („Low Fat“ vs. „Low Carb“) spielt demnach nur eine untergeordnete Rolle. Als evidenzbasierte Ernährungsstrategien werden genannt:
- Fettreduzierte, kohlenhydratreduzierte sowie fett- und kohlenhydratreduzierte Ernährung
- Kost mit niedrigem glykämischen Index
- Mediterrane Ernährung
- Vegetarische und vegane Ernährung
- Mahlzeitenersatzstrategie mit Formula-Produkten
- Intermittierendes Fasten
Aktualisierte Empfehlungen zur Pharmakotherapie der Adipositas
Die neuen GLP-1-Rezeptoragonisten haben ebenfalls ihren Weg in die aktualisierte Leitlinie gefunden: Neben dem Lipasehemmer Orlistat bekommen nun auch Liraglutid und Semaglutid eine „Kann“-Empfehlung für den Einsatz zur Gewichtsreduktion ab einem BMI von 27 kg/m2 (mit Orlistat ab BMI ≥ 28 kg/m2). Wird eine Gewichtsreduktion bei Typ-2-Diabetes angestrebt, erhöht sich der Empfehlungsgrad für den Einsatz von Semaglutid und Liraglutid auf „Sollte).
Starker Konsens ist aber weiterhin, dass jede medikamentöse Therapie grundsätzlich in Kombination mit der multimodalen Basistherapie (Ernährungs- und Bewegungstherapie plus Verhaltensmodifikation) durchgeführt werden soll.
Neue Empfehlungen zum Thema E-Health
Erstmals widmet die Leitlinie auch den Möglichkeiten von E-Health zur Unterstützung der Gewichtsabnahme ein Unterkapitel. Digitale Tools können direkt der Umsetzung von Gewichtsreduktionsprogrammen dienen, sie können die Selbstbeobachtung, eventuell auch den kompetitiven Vergleich mit anderen ermöglichen, und sie können als Kommunikationsmittel genutzt werden. Als wichtige Vorteile der modernen digitalen Werkzeuge werden Reichweitenstärke, zeitliche und örtliche Flexibilität sowie Kosteneffizienz beschrieben.
Zu den für die Adipositas-Therapie relevanten digitalen Tools gehören insbesondere Smartphone-Applikationen und sogenannte Wearables wie etwa Aktivitätstracker. Die Leitlinie unterscheidet zwischen Lifestyle-Apps und den vom Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte zertifizierten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Letztere erhalten von den Experten eine einstimmige „Kann“-Empfehlung für die Verordnung zur Gewichtsreduktion.
Die Aufnahme von DiGAs in die Adipositas-Leitlinien
Eine Kombination von Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie soll die Grundlage des Gewichtsmanagements bei Adipositas bilden – an dieser Kernaussage der Leitlinie hat sich nichts geändert. Neuerungen gibt es bei den Empfehlungen zu den Möglichkeiten, diese Basistherapie umzusetzen. Ein wichtiger Durchbruch ist hier die Aufnahme digitaler Gesundheitsanwendungen. Diese Smartphone-basierten Interventionen sind vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte evaluiert und zertifiziert und damit verordnungsfähig.
Die „Apps auf Rezept“ sind laut Leitlinie als vollwertiges Gewichtsreduktionsprogramm anzusehen: Sie vereinen Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie Ansätze zur Verhaltensmodifikation. Die Leitlinie hebt aber auch hervor, dass E-Health-Interventionen die Betreuung durch qualifiziertes Fachpersonal wirksam ergänzen, jedoch nicht ersetzen können: Digitale Technologien müssen sinnvoll in ein individualisiertes Gesamtkonzept eingebunden werden.
Die Bedeutung der Aufnahme von DiGAs in die neuen Adipositas-Leitlinien
In Deutschland leben rund 13 Millionen Menschen mit Adipositas. (1) Die Kapazitäten der hausärztlichen Versorgung stoßen (nicht nur hier) an ihre Grenzen. Die hohe Prävalenz von Adipositas und die Begrenztheit der Ressourcen im Gesundheitssystem erfordern neue Strategien, um dieser Epidemie entgegenzuwirken. Technologie ist hier eine wichtige Chance. Mit der Verordnung von DiGAs haben Ärzte die Möglichkeit, ihren adipösen Patienten kostenfrei ein leitliniengerechtes digitales Werkzeug zur Unterstützung der Gewichtsabnahme in die Hand zu geben und ihnen so besser und individueller gerecht zu werden.
Prof. Dr. Christina Holzapfel, Hochschule Fulda und Technische Universität München, eine der Autorinnen der neuen Leitlinie, sagt dazu:
„Digitale Gesundheitsanwendungen sind eine sinnvolle Ergänzung der patientenzentrierten Behandlung von Adipositas. DiGA erweitern das methodische Behandlungsspektrum um einen flexiblen wie effizienten Therapieansatz. Sie verbessern die Versorgung von Betroffenen.“
Vorteile von DiGAs in der Adipositasbehandlung
DiGAs zur Gewichtsreduktion geben Patienten die Möglichkeit zur Selbstbeobachtung und zum aktiven, selbstwirksamen Handeln: Sie tracken und visualisieren körperliche Aktivität, Kalorien- und Nährstoffaufnahme auf der einen Seite, Körpergewicht und andere relevante gesundheitliche und biometrische Parameter auf der anderen. Damit machen sie den Zusammenhang zwischen Verhalten, Gewicht und Gesundheit nachvollziehbar. Sie ermutigen zum Setzen realistischer Ziele, und sie fördern durch Feedback und regelmäßige Erinnerungen die Etablierung der entsprechenden Verhaltensänderungen.
Digitale Medien haben durch ihre pervasive Präsenz im Alltag der Patienten eine besonders hohe Wirksamkeit: Studien haben nachgewiesen, dass die digitale im Vergleich mit der papierbasierten Selbstbeobachtung eine deutlich höhere Adhärenz der Patienten schafft. (2) Unter den E-Health-Tools haben Smartphone-basierte Apps die größte Wirkung auf das Gewicht. (3)
Smartphone-Apps funktionieren unabhängig von Arztterminen und knappen Zeitressourcen. Sie erreichen Patienten in ihrem Alltag, zu jeder Zeit. Und sie stehen auch Menschen zur Verfügung, an deren Wohnort keine geeignete, problemlos erreichbare oder für sie erschwingliche persönliche Beratung vorhanden ist. In unterversorgten und ländlichen Regionen können DiGAs somit den Zugang zu einer wirksamen Adipositasbehandlung verbessern. Generell können sie als kostenfreies, sehr niedrigschwelliges Angebot auch Patienten erreichen, für die andere Formen der Betreuung und Beratung aufgrund von beeinträchtigter Mobilität beziehungsweise infolge finanzieller oder psychosozialer Einschränkungen nicht in Frage kommen.

Oviva bei Adipositas
Oviva ist eine der beiden vom BfArM geprüften und zertifizierten DiGAs zur Gewichtsabnahme bei Adipositas. Die Smartphone-App kann wiederholt für einen Zeitraum von jeweils drei Monaten verordnet werden und ist für Patienten kostenfrei. Sie beinhaltet digitale Tools zum Selbstmonitoring, darunter
- Unkompliziertes Mahlzeiten-Tracking per Foto
- Dokumentation von Gewicht, Aktivität, Stimmung, Blutzucker und anderen relevanten Gesundheitsdaten
sowie zum Selbstmanagement:
- Feedback zur Ernährung
- Konkrete, individuelle Zielsetzungen
- Erinnerungsfunktionen
Abwechslungsreich aufbereitete Lerninhalte erweitern das Ernährungs- und Gesundheitswissen der Patienten und vermitteln psychologische Einsichten rund um Motivation und Gewohnheitsbildung.
Persönlicher Kontakt erhöht die Wirksamkeit digitaler Interventionen, wobei Telefon- oder web-basierte Kontakte einen ähnlichen Effekt haben wie das direkte Gespräch. (4) Oviva kombiniert rein digitale Tools mit individueller Ansprache: App-Nutzer sprechen zu Beginn des Programms mit ihrer persönlichen Ernährungsfachkraft und halten den Kontakt später über die integrierte Chatfunktion.
Oviva arbeitet in Deutschland, der Schweiz und in Großbritannien mit den nationalen Gesundheitssystemen zusammen. Europaweit haben bereits über 700.000 Patienten das Oviva Programm erfolgreich absolviert; seine Wirksamkeit wurde in einer Reihe von Studien belegt. (5,6,7)
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